Konstruktiv und effektiv im Team kommunizieren. Wie machen das echt gute Teams eigentlich?
Phase 1: Reflektion
Wir gehen mal davon ausgehen, dass es bei offener Kommunikation nicht um Manipulation der Anderen zum Zweck der Erreichung eigener, verborgener Ziele geht. Sonst kann von Offenheit ohnehin keine Rede sein. Wer also der Meinung ist, dass gute Führung darin besteht, die anderen so lange klug zu Fragen, bis sie ‚von selbst drauf kommen‘ übersieht, dass es auch Situationen gibt, in denen man nur glaubt die Lösung zu kennen. Die Realität sieht das oft ganz anders… Liebhaber und Autofahrer haben eines gemeinsam: 80% denken, sie wären überdurchschnittlich gut… Das stimmt aber nicht.
Wenn man also gemeinsam besser denken will, als ein Einzelner das könnte, dann geht das anders. Im ersten Schritt ist zu klären: Was ist das Problem? Was ist die Herausforderung? Warum reden wir eigentlich? Was muss anders werden und warum? Was muss entschieden werden? Wo fehlt uns noch eine konkrete Idee bevor wir überhaupt ans Entscheiden denken können? Wo sind wir unsicher und wünschen uns mehr Klarheit? Danach kann emotional, intuitiv, modellhaft oder auf Basis von Können und Querdenken gemeinsam reflektiert werden. Dabei geht es darum, den Ursachen, Zusammenhänge, Lösungs-Optionen, konkrete Möglichkeiten und potenzielle Kollateralschäden möglichst gut „auszuleuchten“ um die ganze Härte und Vielfalt der Realität und die maßgeblichen Zusammenhänge bestmöglich gemeinsam in den Blick zu bekommen: Wir nennen das „Problem scharf stellen“. Menschen neigen zu schnellen Lösungsvorschlägen. Ohne ein Verständnis von Zusammenhängen, Ursachen und Symptomen auch nur zu versuchen. Erst wenn die Beteiligten im Raum gemeinsam die Realität „ausgeleuchtet haben“, entstehen konkrete Vorschläge und Entscheidungen. In manchen Firmen funktioniert die Phase ‚Reflektion‘ ganz gut. In manchen auch nicht. Denn Menschen neigen dazu,
– die Ursachen für Probleme bei anderen und selten in verzwickten Wechselwirkungen zu sehen
– triviale Lösungen zu sehen lange bevor die Ursachen und Zusammenhänge in den Blick kommen.
Insbesondere die Phase 2 funktioniert ganz häufig nicht. Gerade in Firmen, die Selbstorganisation propagieren oder in den die Vorgesetzten nur zögerlich Entscheidungen treffen.
Phase 2: Engagement, Führung, Entscheidung
Irgendwann kommt der Punkt, an dem es geschieht: Jemand macht einen konkreten Vorschlag, wie es gehen könnte. Meist entsteht dann – und erst dann – eine sehr kontroverse Diskussion. Denn alles Konkrete ist besonders leicht angreifbar. Es könnte schief gehen. Es könnte auch anders gemacht werden. Und was ist mit diesem Detail? Wenn nicht zufällig ein Konsens entsteht oder ein dominanter Vorgesetzter im Zimmer sitzt, dann „bricht sich marodierende Kommunikation bahn“. Das heißt: Es wird einfach weiter gesprochen. Zu unbedeutenden Themen gesprungen. Die Vielsprecher sprechen. Die Schweiger schweigen. Wenn ein Chef im Zimmer sitzt, dann macht meist niemand ganz konkrete Vorschläge. Denn der Chef würde sie vielleicht zerlegen. Und öffentliche Zurechtweisung braucht niemand. Deshalb muss meist der Chef die Vorschläge machen. Das ist dann für alle ok. Was fehlt? Engagement, Führung und Entscheidung.
Typische Probleme in Phase 1 und Phase 2
Statt guter Reflektion werden Floskeln ausgetauscht („Führung ist wichtig“), bekannte Fakten wiederholt („im zweiten Quartal ist der Umsatz stagniert“), schöne Wünsche ausgesprochen („wir müssen an einem Strang ziehen“), unkonkrete Vorschläge gemacht („meiner Meinung nach könnte man den Umsatz steigern, wenn wir beim Kunden unseren Premium-Anspruch konkreter darstellen“) und verdeckte Anweisungen gesprochen (Chef sagt: „Meiner Meinung nach müssen wir die Anzahl der Kundenbesuche steigern. Sehen Sie das auch so?“). Alle vermeiden es, sich angreifbar zu machen. Paradox: Alle sind irgendwie unzufrieden – aber ein Gefühl der persönlichen Angreifbarkeit will auch niemand. Die Anwesenheit von spürbarer Macht bzw. formale Deutungshoheit und das daraus erwachsende „kommunikative Risiko“ der Beteiligten „ein Machtwort abzubekommen“ verhindern gemeinsames Lernen.
Häufig gelingt daher weder die Reflektion noch eine echte (gemeinsame) Entscheidung. Die Bedenken kommen nicht auf den Tisch oder werden ignoriert und durch ein Machtwort überstimmt. Wer das zu oft erlebt, nennt seine echten Bedenken nicht mehr. Die Reflektion verarmt. Notwendiger Streit auf der Sachebene wird dann vermieden. In manchen Firmen wird die Realität verleugnet. Oder aber der Wunsch nach Konsens lähmt das Team. Notwendige Entscheidungen werden nicht getroffen. Niemand findet einen Modus, eine Entscheidung trotz guter Reflektion und verbleibendem Dissens zu treffen.
Muster mittelmäßiger Teams
Vielredner sprechen. Immer wieder. Immer wieder dasselbe. Keiner stoppt sie. Schweiger schweigen. Die ganze Zeit. Niemand scheint sich für ihre Meinung zu interessieren. Vielleicht hätten sie entscheidende Einsichten. Niemand interessiert sich für deren Standpunkt oder Beitrag. Teilnehmer springen von Thema zu Thema. Scheinbar nur ihren persönlichen Rede-Bedürfnissen oder politischen Absichten folgend. Gelegentlich kann kaum mehr jemand den Gedankensprüngen folgen. Niemand stoppt die Sprünge und Verwirrungen.
Oft wird über belanglosen Kram gesprochen, weil jemand eine schlechte Agenda gemacht hat. Trivialitäten werden ausgesprochen, Offensichtliches lang und breit erklärt, Bekanntes wiederholt. Es entsteht unproduktive Langeweile. Niemand stoppt die Langweiler.
Konflikte kommen nicht hoch. Alle spüren, welche Themen nun eigentlich relevant sind – aber niemand legt sie offen auf den Tisch. Entweder, weil es persönlich wird oder weil es im Angesicht des Chefs zu heiß wird, die kritischen Dinge anzusprechen. NACH dem Meeting wird getuschelt, schlecht über den Chef oder die dämlichen
Kollegen oder die unsinnigen Entscheidung der Nachbar-Abteilung gesprochen. Aber während dem Meeting ist alles „politisch korrekt“. Sachlich. Professionell. Langweilig. Schein-produktiv.
Muster erfolgreicher Teams
Jeder kennt bereits das Einfache, das Triviale, das Offensichtliche. Also die bekannten Fakten. Also das, was man vorher in 5 Folien oder einer halben Seite Text lesen und verstehen konnte. Jeder hat seine Verständnis-Fragen auf dem Zettel.
Niemand wiederholt bereits Gesagtes. Es sei denn, jemand fragt danach.
Jeder ist daran interessiert, etwas zu lernen – also etwas zu verstehen, was vorher noch nicht verstanden war. Die Gründe hinter den Gründen zu sehen. Zuhören ist also wichtiger als sprechen. Fragen stellen – gerade in dem Moment, wenn man den Impuls spürt, heftig zu widersprechen – ist wichtiger als Statements abzugeben. „Herr X, ich habe gute Lust heftig zu widersprechen. Das wissen Sie sicher. Gerade deshalb die Bitte: Erklären Sie mir, wie Sie zu der Einschätzung kommen. Was ist ihre Argumentation? Welche Indikatoren gibt’s? Was sehen und fühlen Sie, was mir offenbar nicht zugänglich ist?“
Alle vermeiden „Leere Kommunikation“. Leere Kommunikation besteht aus Äußerungen, die dem Team nicht helfen und nur den eigenen Bedürfnissen dienen. „Die anderen müssen auch wollen.“ „Führung ist wichtig.“ „Wir bräuchten halt mal die richtigen Daten.“ Gehaltvolle Kommunikation provoziert interessierte Fragen, ist sehr konkret, ist angreifbar und erzeugt daher häufig auch Widerspruch. Gehaltvolle Kommunikation erzeugt bei den anderen einen Lernvorgang, den Impuls zu widersprechen oder den Impuls entschlossener Führung zu folgen. „Ich sehe im letzten Quartal zwar keine Umsatz-Steigerung aber wir haben die Anzahl der Aufträge verdoppelt und die Einzelmengen ungefähr halbiert. Der Vertriebsinnendienst sagt, er sei überlastet und mache jeden Samstag Überzeit. Das ist plausibel. Wenn dieser Auftragstrend so weiter geht, werden wir dort entweder die Abläufe automatisieren oder die Ressourcen erhöhen müssen. Welche Zusammenhänge sehen Sie? Sehen Sie andere Möglichkeiten?“
Oder „Nachdem ich nun eine ganze Menge von Euch gelernt habe, sehe ich folgende Zusammenhänge als wesentlich an: a) Unsere bisherige Arbeitszeit-Regelung schafft die falsche Motivation und widerspricht unserem Anspruch, kunden-orientiert zu atmen. b) Die Spannungen mit dem Betriebsrat sind zwar da – aber die beruhen sehr wahrscheinlich auf dem Missverständnis der letzten Betriebsversammlung. Eine Entschuldigung und Aufklärung würde dort den gordischen Knoten platzen lassen. Das ist unsere These. Seid Ihr auch der Meinung, dass das die Situation am treffendsten charakterisiert? Ja? Dann denken wir über eine mögliche Lösung nach.“
Jeder gibt klares Feedback, wenn die Kommunikation nutzlos oder dysfunktional wird. Wenn also ein Teilnehmer beginnt, die anderen zu langweilen, weil er unverständlich, abschweifend, ausschweifend, egoistisch, geringschätzend, politisch oder wiederholend spricht, dann gibt es Rituale, dies anzuzeigen (z. B. für alle sichtbar: „Daumen runter“). Klares Feedback ist dann durchaus normal: „Gerade hilft uns das nicht weiter…“ Oder „Du bemerkst vermutlich gar nicht, dass Du mir gerade das Gefühl gibst, dass ich ein Idiot bin…“ oder „Wir kennen Deine Argumente…“ Das Feedback kann sich aber auch auf die Situation beziehen: „Wir sind da jetzt in eine Sackgasse geraten. Lasst uns aufhören. Wir brauchen eine gute Idee, aber wir haben offenbar gerade keine. Das hier ist Zeitverschwendung. Denkt Ihr das auch?“
Gefühle werden offen geäußert: „Wenn Du das so sagst, dann macht mir das Angst.“ Oder „Es freut mich sehr, dass ihr mir eure Hilfe anbietet. Damit hatte ich gar nicht gerechnet.“ Oder auch: „Mein Bauch sagt, das wird so nicht klappen. Ich habe da noch Sorgen, kann sie aber leider noch nicht in klare Worte fassen.“ Gefühle sind der soziale Klebstoff, der die Kommunikationsschwellen senkt: Wenn soziale Dichte existiert, dann fällt es den Betroffenen leicht, Fehler offen zu benennen, um Hilfe zu bitten, Versäumnisse anzusprechen, Sachkonflikte gemeinsam zu reflektieren, Dissens auszuhalten, …
Entscheidungsformen
Saugute Teams treffen Entscheidungen ganz anders…
Option 1 – Einzelentscheidung: Es gibt jemanden, in dessen Rollen-Verantwortung die Entscheidung fällt. Er ist damit automatisch der Entscheider. Wichtig: Er ist nicht notwendigerweise Vorgesetzter und damit also auch nicht weisungsbefugt. Aber eben entscheidungsbefugt… Allerdings wendet er das Entscheidungsverfahren aus Option 2 an. Sonst klappt das nicht.
Option 2 – Konsultation: Es ist zu klären, wer die Entscheidung treffen wird, bevor die Diskussion startet. Wenn dies durch gemeinsame Legitimation oder qua Rolle feststeht, dann geht‘s los. Das gibt der Diskussion einen vollkommen anderen Verlauf. Verdeckter Rangkampf und Politik wird vermieden. Alle versuchen dem Entscheider möglichst klar und vollständig Fakten, Sichtweisen, Perspektiven, Risiken und Chancen zu zeigen. Jedem ist klar, dass der Entscheider im Sinne der Firma zu entscheiden hat. Die Pflicht des Entscheiders ist es dann, alle relevanten Meinungen, Fakten und Empfehlungen zu hören. So dass das Wissen und das Können der Organisation in die Entscheidung einfließen können. Alle anderen akzeptieren bereits vor der Entscheidung, dass sie die Entscheidung akzeptieren werden. Der Entscheider stellt sich bewusst trotzdem dem Risiko nachträglicher Kritik. Das ist nicht schön – aber Realität.
Option 3 – Konsent: Es gibt einen Entscheidungsprozess in der Gruppe, der auf Führung und Widerständigkeit beruht – aber nicht auf Macht oder Konsens. Manche nennen das „Konsent“ – also eine Mischung aus Konsens und Dissent. Manche machen das sehr, sehr formal. Andere Unternehmen machen das ehr informell. Es geht in der Praxis grob skizziert so: Jemand aus der Gruppe, der eine konkrete, machbare Idee hat, macht einen sehr, sehr konkreten Vorschlag. Ungefähr so… „Um das Problem zu lösen, schlage ich folgendes konkret vor. Wir gehen am Donnerstagnachmittag in den Bereich, zählen alle Teile vom Typ X und Herr Y und ich klären dann, bei welchen Kunden wir Lieferungen wann verschieben müssen. Herr Z vom Vertrieb bekommt von uns eine Liste und er kann entscheiden, wo er ein aktiven Preisnachlass reinhaut. Hat jeder meinen Vorschlag verstanden oder gibt es noch Fragen, was zur Entscheidung ansteht?“ Nun gibt es einen Durchgang. Jeder kann (einmal, wenn er dran ist) Fragen stellen. Dann wird entschieden. Gleichzeitig zeigt jeder entweder:
Daumen hoch (bin dabei)
Daumen seitlich (bin dabei – habe aber noch leichte Bedenken, die ich los werden will)
Daumen runter (bin nicht dabei, habe schwere Bedenken, bevor diese nicht abgebaut oder wenigstens abgemildert wurden müssen wir weiter diskutieren)
Faust (Veto. Ich bin nicht dabei. ABER: Wer ein Veto reinhaut, ist verpflichtet einen Alternativ-Vorschlag zu machen über den dann wieder befunden wird)
Diese Form der Entscheidung macht eine Gruppe unabhängig(er) von Macht, unabhängiger von einzelnen Gehirnen und vor allem vom Konsens-Wunsch. Wenn man so will, wird die gemeinsame Intelligenz und die verteilte Führungskompetenz im Team aktiviert. An dieser Stelle könnte man noch ergänzen, dass gute Teams die Entscheidung festhalten und sich dann gegenseitig in der Verantwortung halten. Nicht durch Hierarchie oder KPIs, sondern durch gegenseitige Erwartungen, dass Zugesagtes auch erledigt wird. Oder dass um Hilfe gebeten wird, wenn es nicht klappt.
Ein letzter Gedanke: Das ist keine Demokratie! Es geht nicht darum, dass die Mehrheit gewinnt. Es geht darum, Blinde Flecken auszuleuchten und sehr gute Reflektion durch Augenhöhe und Reibung und zu produzieren. Gemeinsames Lernen steht im Mittelpunkt.
Wie kommt man dahin? Gnadenlose Selbstbeobachtung.
Und Mut, sich kritisieren zu lassen und zu kritisieren.
Experiment
Stellen Sie sich vor, sie nutzen in Sitzungen ein Formular, in dem jeder anonym notiert, wer wen langweilt. Oder wer zu viel spricht. Oder wer Führung (also konkrete Vorschläge und eine Selbstverpflichtung zur Verantwortung) vermeidet. Oder wer Reflektion behindert. Mit Macht oder Geringschätzung oder Ego. Also stellen Sie sich vor, jeder hätte so ein Formular vor sich. Auf der einen Achse alle Namen der Teilnehmer. Auf der anderen Achse ein paar Kategorien. „Zu viel. Langweilig. Wiederholung. Allgemeinplätze.“ und „Rangkampf. Ego. Macht. Verhindert lernen.“ und „vermeidet Verantworung, Führung und Entscheidung“.
Am Ende hätte jeder Teilnehmer so eine kleine Strichliste auf dem Formular erstellt. So eine Art Bullshit-Bingo – nur anders.
Im ersten Schritt geht es also darum, dem Team klar zu machen, dass es sich mal gegenseitig beobachten soll. Die Beobachtung und Beurteilung der anderen fällt immer am leichtesten.
Im zweiten Schritt kann man das Formular verteilen mit folgender Aufgabenstellung: Alle 5 Minuten schnippst der Hans mit den Fingern und jeder denkt ein paar Sekunden darüber nach, welche „Zumuntungen“ die anderen Kollegen gerade von „mir“ abbekommen haben. Wenn also der Peter vermutlich glaubt, ich hätte ihn in den letzten 5 Minuten zugetextet, dann mache ich einen Strich in der Kategorie „zu viel, langweilig, wiederholt, ausschweifend“) beim Namen „Peter.“
Im dritten Schritt könnte das Team die „Feedback-Bögen“ gemeinsam diskutieren und daraus etwas lernen. Das ist sensibel… Typische Management-Teams können keine sensible Kommunikation. Jede Form von Geringschätzung oder Machtausübung ist dabei eine große Hürde. Da gilt dann der Klassiker: Nur Ich-Botschaften. WWW: meine Wahrnehmung (was Beobachte ich?), die Wirkung auf mich (was passiert in mir drin?), mein Wunsch (was brauche ich, damit sich die die Wirkung verändert?).
Im vierten Schritt könnte man nun dazu übergehen, die kommunikativen Entgleisungen „im Moment des Geschehens“ anzusprechen“. Dafür braucht es ein „Unterbrechungssignal“. Ein Handzeichen. Ein roter Zettel. Oder eine Glocke. Kommunikationsmuster zu verändern ist mühsam… aber lohnend. Eine Warnung: Der mächtigste im Raum sollte verstanden haben, auf was er sich da einlässt.