Kennst Du das? „Wenn der / die oben doch mal entscheiden würde“ oder das Gegenmodell „wenn die unten doch endlich mal Verantwortung übernehmen würden“. Oft der Startpunkt um generell über das Managementmodell der Organisation nachzudenken. Denkt man an Selbstorganisation und Organisationen ohne (formelle) Hierarchie so müsste dies doch der Befreiungsschlag für gehemmte Mitarbeiter sein. Meine Erfahrung war allerdings etwas anders, und zwar so:
Die Vorurteile
Starten wir mit den üblichen Vorurteilen:
- Wenn es keinen Chef gibt macht jeder was er will
- Ohne Führung geht es nicht – wer soll die Leute antreiben
- Agil ist super, aber einer muss manchmal den Ton angeben sonst wird ewig gelabert und am Ende nichts entschieden
Trotzdem war ich als Führungskraft für Entscheidungen auf möglichst niedriger Hierarchiestufe. Mehr noch, war ich ein Chef der Selbstverantwortung eingefordert hat. Manchmal lief das wirklich gut, vor Allem dann hat es mir gefallen, wenn das Team die Entscheidungen genau so getroffen hat wie ich es selbst auch gemacht hätte – aber eben ohne mich!
Bei anderen Problemstellungen bin ich schier wahnsinnig geworden, nicht nur weil offensichtlich (aus meiner Sicht) so klare Fehlentscheidungen getroffen wurden, sondern auch weil das Team aus unerfindlichen Gründen einfach nicht zu einem Konsens (ja ich weiß…..!) zu kommen schien. Nicht selten bettelte das Team gefühlt nach einer Entscheidung von oben – was ich selbstverständlich als Beweis für meine Notwendigkeit deutete. Im Nachhinein muss ich zugeben, dass mir nicht bewusst war, was meine Forderung nach Selbstorganisation für jeden Einzelnen bedeutete, und wie unfair die Forderung ohne die richtigen Rahmenbedingungen war. Dies wurde mit erst vor Augen geführt, als ich selbst in eine selbstorganisierte Unternehmung wechselte. Plötzlich war ich etwas orientierungslos und selbst auf der Suche nach „der Segnung von Oben“.
Die Rolle der Führungskraft
Nun war mir klar, wie wichtig der Rollenwechsel einer Führungskraft in einem agilem Umfeld ist. Oder anders, es geht um eine komplett neue Interpretation von Führung.
Es wäre meine Aufgabe gewesen
a) Ein Team zu formen in dem genug Vertrauen herrscht um auch richtig streiten zu können
b) Werkzeuge an die Hand zu geben, so dass Entscheidungen auch ohne „Segnung von Oben“ gefällt werden können und
c) einen soliden Schutzraum für das Team bilden, so dass nicht von außen Entscheidungen und Aktionen durch Macht und Hierarchie wieder „eingefangen“ werden.
Der aufmerksame Leser stellt fest, dass die Frage #2 unbeantwortet blieb. „Ohne Führung geht es nicht – wer soll die Leute antreiben“ Dies hat einen einfachen Grund: es war zu keiner Zeit ein Problem! Anscheinend hatte ich extremes Glück mit meinem Team. Es waren alles Menschen die ganz offensichtlich einen guten Job machen wollten und ihre Kollegen nicht hängen lassen. Es gibt Idealisten (wie mich) die überzeugt sind, dass dies sehr sehr schön aber auch eigentlich völlig normal ist. So lange, bis Organisationen dies (ungewollt) kaputt machen. Aber dazu ein
anderes Mal mehr…….
Experiment
Gibt es ein Team das selbstorganisiert arbeiten soll? (Du kannst dabei Vorgesetzter oder Teammitglied sein). Prüfe doch gemeinsam mit deinen Kollegen / deinen Mitarbeitern ob die Punkte a-c gegeben sind. Wenn nein, versuche dies nachzuholen. Über eure Erfahrungsberichte würden wir uns freuen.
Diese Folge gibt es auch als Podcast: (link: https://vunds-podcast.de/neues-management/stafel-ii-folge-3-selbstorganisation-und-andere-gemeinheiten/ text: Podcast – Folge 3)